ganz
praktisches Beispiel: Wer ein Musikstück hört, unterliegt
unterbewussten „Mechanismen“. Das Gehör ist nicht allein, aber
auch Gewohnheiten unterworfen. Wer auf eine Musikrichtung fixiert
ist, wird eher „schön“ finden, was dem Gewohnten ähnelt. Dies
prägten zu großen Teilen Entwicklungszeiten, an die wir uns nicht
mehr erinnern können. Oft sind wir aber auch bereit, unterbewusst
ein Musikstück eher anzunehmen, wenn es uns als „Hit“
vorgestellt wird oder wenn Freunde es stark finden usw. Mit einer
verengten Weltsicht verengt sich auch die Aufnahmefähigkeit für
Schönes. Es geht dabei sowohl um das aktive Produzieren als auch
einfach das Genießen dessen, was andere gemacht haben. Das schließt
ein, Harmonien in vordergründigen Disharmonien zu entdecken,
Auseinandersetzungen als kreativ annehmen zu können. Das erklärt
zum Beispiel mit, warum immer wieder neu Elterngenerationen den
Musikrichtungen ihrer Kinder so skeptisch gegenüberstehen, sie
häufig nicht einmal als Musik akzeptieren. Wer dann nachfragt,
merkt, denen ist es mit ihren Eltern genauso gegangen, und eigentlich
müsste ihnen einleuchten, wenn der nächste Stil für die spätere
Generation … und immer weiter so fort ...
Vielleicht
kann man sich ein winziges Startbild machen, wenn man das System der
Sportförderung in der DDR auf alle Bereiche der
Persönlichkeitsentfaltung ausdehnte. Also eine Wechselwirkung von
„Breitensport“ und „Leistungssport“. Dass dabei nicht jeder
„Sport“ mögen wird, ist Element seiner besonderen
Persönlichkeit. Um eine solche Entscheidung aber treffen zu können,
muss er natürlich in Berührung mit dem „Sport“ gekommen sein.
Oder anders: Bach nicht zu „mögen“, weil man nur Bohlen kennt,
ist genauso doof wie umgekehrt.
Die
Abgrenzungen kommen im Kommunismus fast von allein mit der erworbenen
Fähigkeit, das der eigenen Persönlichkeit am ehesten Entsprechende
aus einer breiten Vielfalt auszuwählen. Zumindest was Musik angeht,
wäre dies heute technisch bereits gut umsetzbar, stößt aber gerade
hier auf marktbedingte Schranken.
Es
ist einfach etwas Anderes, nach dem Erwerb der nächsten Sache zu
„streben“ und, kaum, dass man sie erworben hat, nach der
nächsten, als „sich rundum zu entfalten“.
Nicht
alle Menschen werden irgendwo super sein – genau das würde ja dem
Grundsatz der Vielseitigkeit widersprechen -, aber man kann es
„Synergie-Effekt“ nennen, was jene „allseitig entwickelten
Persönlichkeiten“ für die Gesellschaft erbringen werden: Leonardo
da Vinci hat die Qualität der Leistungen auf einem Gebiet auch aus
der Vielseitigkeit der verwirklichten Interessen auf anderen Gebieten
gewonnen, Goethe war kein „Genie“ der Farbenlehre … aber seinen
Leistungen als Dichter hat die Beschäftigung mit Farben sicher nicht
geschadet usw.
Die
Zeit der Universalgenies ist zwar vorbei. Die Zeit der vielseitigen
Menschen aber bricht erst mit der kommunistischen Gesellschaft an –
und diese Menschen werden „modern“ sein. Ihretwegen wird es wenig
bedeutsam sein, ob alle mitmachen – es reicht, wenn, mit einem
schrecklichen heutigen Wort bezeichnet, die „Leistungsträger“ in
den Superkreativen ihre Vorbilder sehen. Anerkannte Vorbilder aber
besitzen Sogwirkung. Insofern kommen Schul-Coaches (um nicht „Lehrer“
zu sagen) viel größere Bedeutung zu. Sie sind eine von mehreren
Gruppen, die darauf achten müssen, dass sich Jugendgruppen keine
ihre Mitmenschen missachtenden Idole wählen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen